Die Teilung der Erde

Die Teilung der Erde ist eine Ballade von Friedrich Schiller, die dieser 1795 in Weimar schrieb. Sie entstand in der Phase der engen Zusammenarbeit mit Goethe und ist ein Beispiel für die gegen die Ideale der Aufklärung gerichtete Romantik.

Friedrich Schiller 1794
Friedrich Schiller 1794

Hintergrund

Die Entstehung fällt in die Zeit der sogenannten Weimarer Klassik. Für diesen Abschnitt der deutschen, aber auch europäischen Dichtkunst typisch werden Stoffe der Antike verwendet. Außerdem wird versucht, die Metrik der antiken Dichter zu imitieren und, so weit möglich, auf das Deutsche zu übertragen. Weitere Beispiel für diese Zeit sind Goethes Iphigenie auf Tauris oder Wielands Alceste. Die verwendeten mythischen Elemente wenden sich gegen die Aufklärung.[1]

Text

Büste des Zeus, gefunden in Otricoli
(Sala Rotonda, Museo Pío-Clementino, Vatikan)

„Nehmt hin die Welt!“, rief Zeus von seinen Höhen
Den Menschen zu. „Nehmt, sie soll euer sein!
Euch schenk ich sie zum Erb’ und ew’gen Lehen –
Doch teilt euch brüderlich darein!“

Da eilt’, was Hände hat, sich einzurichten,
Es regte sich geschäftig Jung und Alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
Der Junker pirschte durch den Wald.

Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
Der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
Der König sperrt die Brücken und die Straßen
Und sprach: „Der Zehente ist mein.“

Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,
Naht der Poet, er kam aus weiter Fern –
Ach! Da war überall nichts mehr zu sehen,
Und alles hatte seinen Herrn!

„Weh mir! So soll denn ich allein von allen
Vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?“
So ließ er laut der Klage Ruf erschallen
Und warf sich hin vor Jovis Thron.

„Wenn du im Land der Träume dich verweilet“,
Versetzt der Gott, „so hadre nicht mit mir.
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?“
„Ich war“, sprach der Poet, „bei dir.

Mein Auge hing an deinem Angesichte,
An deines Himmels Harmonie mein Ohr –
Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte
Berauscht, das Irdische verlor!“

„Was tun?“, spricht Zeus, „die Welt ist weggegeben,
Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.
Willst du in meinem Himmel mit mir leben –
So oft du kommst, er soll dir offen sein.“

Literatur

  • Michael Titzmann: Vom „Sturm und Drang“ zur „Klassik“. „Grenzen der Menschheit“ und „Das Göttliche“ – Lyrik als Schnittpunkt der Diskurse. In: Schiller-Jahrbuch. Jg. 42, 1998, S. 42–63.

Einzelnachweise

  1. Dieter Borchmeyer: Weimarer Klassik: Porträt einer Epoche. Weinheim 1998, S. 389.
Werke Friedrich Schillers

Dramatische Werke
Die Räuber | Semele | Die Verschwörung des Fiesco zu Genua | Kabale und Liebe | Körners Vormittag | Don Karlos | Wallenstein (Wallensteins Lager – Die Piccolomini – Wallensteins Tod) | Maria Stuart | Die Jungfrau von Orleans | Die Braut von Messina | Wilhelm Tell | Die Huldigung der Künste | Demetrius

Lyrik
Hektorlied | Hektor und Andromache | An die Freude | Resignation | Die Götter Griechenlandes | Das verschleierte Bild zu Sais | Die Teilung der Erde | Der Spaziergang | Xenien | Der Handschuh | Der Taucher | Die Kraniche des Ibykus | Der Ring des Polykrates | Ritter Toggenburg | Der Gang nach dem Eisenhammer | Der Kampf mit dem Drachen | Die Bürgschaft | Das Eleusische Fest | Das Lied von der Glocke | Nänie | Der Antritt des neuen Jahrhunderts | Das Siegesfest

Prosa
Der Verbrecher aus verlorener Ehre | Der Geisterseher | Die Sendung Moses | Eine großmütige Handlung | Spiel des Schicksals

Philosophische, literatur- und theatertheoretische Schriften
Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen | Über das gegenwärtige deutsche Theater | Der Spaziergang unter den Linden | Philosophische Briefe | Briefe über Don Carlos | Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet | Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen | Über die tragische Kunst | Zerstreute Betrachtungen über verschiedene ästhetische Gegenstände | Über die notwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen | Über den moralischen Nutzen ästhetischer Sitten | Gedanken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst | Augustenburger Briefe | Vom Erhabenen | Über Anmut und Würde | Über das Pathetische | Kallias-Briefe | Über die ästhetische Erziehung des Menschen | Über naive und sentimentalische Dichtung | Über das Erhabene

Historische Werke
Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? | Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung | Geschichte des dreißigjährigen Krieges

Herausgegebene Zeitschriften
Wirtembergisches Repertorium der Litteratur | Thalia | Die Horen | Musen-Almanach