Paul Albert (Radsportler)

Paul Albert
Paul Albert gewinnt 1899 in München den „Kaiserpreis“
Grab der Familie Albert auf dem Nordfriedhof in Wiesbaden

Carl Paul Albert (* 16. Februar 1876 in Biebrich; † 15. Mai 1903 in Nieder-Ingelheim) war ein deutscher Radrennfahrer.

Paul Albert stellte eine Ausnahme im Radsport um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert dar. Während viele Rennfahrer aus Arbeiter- oder Handwerkerkreisen stammten, für die der Sport eine Möglichkeit zum gesellschaftlichen Aufstieg bot, stammte Albert aus einer angesehenen Großindustriellen-Familie: Sein Vater, Kommerzienrat Heinrich Albert, besaß in Biebrich die Chemischen Werke H. & E. Albert. Paul Albert selbst absolvierte ein Ingenieurstudium am Polytechnikum in Berlin.

Radsportkarriere

1897 begann Albert, Mitglied des „RSB Nassau“[1], mit dem Amateur-Radsport als „Flieger“ (heute Sprinter). Im August 1898 gewann er den „Großen Preis von Deutschland“ in Berlin auf dem Kurfürstendamm. Vier Wochen später wurde er in Wien Sprint-Weltmeister der Amateure und erlangte noch im selben Jahr den deutschen Meistertitel. Mit einer Sondererlaubnis durfte Albert 1898 gegen den Weltmeister der Berufsfahrer, den Amerikaner George A. Banker, in einem Vergleichsmatch antreten. Die Zuschauer bejubelten Albert am Start und warteten dann vergeblich auf seinen Gegner. Banker hatte kurz vor dem Wettkampf abgesagt und scheute den Vergleich mit dem Amateur.[2] 1898 und 1899 gewann er die „Meisterschaft von Hannover“ und auch die englische Meisterschaft über 880 Ellen (rund 1000 Meter). Er gehörte gemeinsam mit Willy Arend und Thaddäus Robl zu den herausragenden deutschen Radsportlern seiner Zeit. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere lehnte er alle Angebote ab, Berufsfahrer zu werden. 1900 zog er sich vom Radsport zurück.[3]

Tod durch Unfall

Heinrich Albert verbot seinem Sohn, weiter Radsport zu betreiben sowie an den Olympischen Spielen 1900 in Paris teilzunehmen. Albert wandte sein Interesse dem Automobilsport zu und legte sich auch selbst einen Rennwagen zu. Mit einem Mercedes Simplex Rennwagen der Cannstatter Daimler-Motoren-Gesellschaft waren er und sein Monteur Georg Saaler, der den Wagen lenkte, am 15. Mai 1903 auf dem Weg nach Frankreich, um an der Automobil-Fernfahrt „Paris-Madrid“ teilzunehmen. Sie verunglückten aber von Mainz kommend auf der „Steig“ kurz vor Nieder-Ingelheim. Erste Hilfe leisteten ein Hauptmann a. D. und seine Frau, die inzwischen Eigentümer der Villa waren, welche der niederländische Schriftsteller Eduard Douwes Dekker, gen. Multatuli, 1881 an der Chaussee von Mainz nach Ingelheim erworben hatte. Paul Albert erlag am Tag vor seinem 27. Geburtstag den schweren Verletzungen im Nieder-Ingelheimer Ludwigsstift, ohne das Bewusstsein wieder zu erlangen.

Georg Saaler, der vom Ludwigsstift Ingelheim ins Rochushospital nach Mainz verlegt werden konnte, war trotz seiner schweren äußeren und inneren Verletzungen Mitte Juni 1903 soweit hergestellt, dass er das Hospital verlassen konnte. Auf Initiative der Allgemeinen Radfahrer Union gab der Bürgermeister von Nieder-Ingelheim nach dem Unfall die Erlaubnis, an der „Steig“ eine Warntafel aufzustellen. Bereits Jahre zuvor war an dieser gefährlichen Stelle ein Radfahrer aus Frankfurt tödlich verunglückt.

Der Unfall war Auslöser einer Kriminalaffäre. Paul Albert hatte von seinem Vater 100.000 Goldmark (804.000 Euro) für die Teilnahme an der Fernfahrt erhalten. Den Rennwagen hatte er – nach den Mitteilungen der lokalen Zeitungen – für 60.000 Mark (482.000 Euro) erstanden, die restlichen 40.000 Mark (321.000 Euro) wohl in französische Francs umgewechselt. Dieses nach dem Unfall verschwundene Geld führte zu zahlreichen Vermutungen in der regionalen Presse und zu Untersuchungen von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei.

Nachruf und Gedenken

Im Nachruf hieß es, Albert sei der „Inbegriff der Vollkommenheit“ gewesen, „die Verkörperung desjenigen, was die deutsche Rasse an körperlicher Leistungsfähigkeit produzieren kann – unter den Hunderttausenden, welche in den verschiedenen Ländern in heissem Ringen um die erste Stellung kämpfen, war er die hervorragende Erscheinung, eine Klasse für sich […] da hat ganz Deutschland einen seiner besten Söhne verloren“.

Der Rheinische Volksbote vom 20. Mai 1903 würdigte Paul Albert in einem weniger martialischen Ton: „Die Todesnachricht hat in den weitesten Kreisen des Sportes große Bestürzung und Theilnahme hervorgerufen, denn Albert war nicht nur der beste Amateurrennfahrer, dessen Deutschland sich nach August Lehrs Zeiten jemals rühmen durfte, sondern er war auch eine liebenswürdige und sympathische Persönlichkeit im rennsportlichen Leben.“

Als Schöpfer des Grabmals der Familie Heinrich Albert auf dem Wiesbadener Nordfriedhof ist Johannes Baader Dresden, der spätere „Oberdada“, verzeichnet.

Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde jährlich am 8. September, dem Jahrestag seines WM-Sieges, in Wiesbaden an Alberts Grab eine Gedenkfeier abgehalten und anschließend ein Radrennen ausgetragen.[4] Organisiert wurden die Veranstaltungen von einem ehemaligen Hochradfahrer aus Wiesbaden, Josef Schmidt, mit Unterstützung von Paul Alberts Bruder Kurt. Im Jahre 1938 wurde in den Schaufenstern eines Wiesbadener Sportgeschäfts eine „Paul-Albert-Gedächtnisausstellung“ gezeigt.[5]

Familiäre Verbindungen

Paul Alberts Mutter war die Kunstsammlerin Antonie Albert. Sein Bruder Ernst Albert war verheiratet mit Katharina Daelen und Vater der zweiten Ehefrau des Dirigenten Wilhelm Furtwängler, Elisabeth Ackermann. Somit war er ein Großvater der Schauspielerin Kathrin Ackermann sowie Urgroßvater der Schauspielerin Maria Furtwängler. Auch Ernst Albert kam durch einen Unfall ums Leben, 1911 beim Bergsteigen in Tirol.

Einzelnachweise

  1. rsb-nassau.de
  2. Interessengemeinschaft Radsport (Hrsg.): Der Radsport. Nr. 5/6/1948. Sportdienst Verlag Zademack und Noster, Köln 1948, S. 2. 
  3. Hans Borowik: 300 Rennfahrer in einem Band. Deutscher Schriftenverlag, Berlin 1937, S. 5. 
  4. Der Deutsche Radfahrer, 29. Mai 1940, 4. September 1940
  5. Der Deutsche Radfahrer, 28. Dezember 1937

Quellen

  • Rheinhessischer Beobachter Ingelheim vom 16., 20., 23. und 30. Mai sowie vom 3. und 10. Juni 1903 (Archiv der Stadt Ingelheim am Rhein)
  • Rheinischer Volksbote Gau-Algesheim vom 16., 20. und 23. Mai sowie vom 10. und 13. Juni 1903 (Archiv der Carl-Brilmayer-Gesellschaft Gau-Algesheim)
  • Rhein- und Nahe-Zeitung Bingen vom 16. und 18. Mai 1903 (Archiv der Stadt Ingelheim am Rhein)
  • Sport-Album der Rad-Welt, 2. Jg. 1903
  • Norbert Diehl, Radweltmeister Paul Albert stirbt nach Automobilunfall auf der „Steig“ am 15. Mai 1903, Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen, 56 (2012), S. 243–248
  • Otto Renkhoff: Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten. 2. Auflage. Wiesbaden 1992. ISBN 3-922244-90-4, S. 7–8, Nr. 37.

Weblinks

  • Paul Albert in der Datenbank von Radsportseiten.net
  • Paul Albert (Radsportler) auf cycling4fans.de
  • cdu-anderten.de:„Die Radrennbahn an der Mühlenschänke“ (Memento vom 27. September 2010 im Internet Archive)
  • „Albert, Paul“. Hessische Biografie. (Stand: 25. Juli 2013). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Weltmeister im Sprint (Amateure)

1893 Arthur A. Zimmerman | 1894 August Lehr | 1895 Jaap Eden | 1896 Harry Reynolds | 1897 Edwin Schrader | 1898 Paul Albert | 1899 Thomas Summersgill | 1900 Alphonse Didier-Nauts | 1901 Émile Maitrot | 1902 Charles Piard | 1903 Arthur L. Reed | 1904 Marcus Hurley | 1905 Jimmy S. Benyon | 1906 Francesco Verri | 1907 Jean Devoissoux | 1908 Victor Johnson | 1909, 1910, 1911, 1913 William Bailey | 1912 Donald McDougall | 1914–1919 nicht ausgetragen | 1920 Maurice Peeters | 1921 Henry Brask Andersen | 1922 Thomas Johnson | 1923, 1924 Lucien Michard | 1925 Jaap Meijer | 1926 Avanti Martinetti | 1927 Mathias Engel | 1928 Willy Falck Hansen | 1929 Antoine Mazairac | 1930 Louis Gérardin | 1931 Helge Harder | 1932 Albert Richter | 1933 Jacobus van Egmond | 1934 Benedetto Pola | 1935 Toni Merkens | 1936 Arie van Vliet | 1937, 1938 Jef van de Vijver | 1939 Jan Derksen | 1940–1945 nicht ausgetragen | 1946 Oscar Plattner ;| 1947 Reginald Harris | 1948 Mario Ghella | 1949 Sydney Patterson | 1950 Maurice Verdeun | 1951, 1952 Enzo Sacchi | 1953 Marino Morettini | 1954 Cyril Peacock | 1955 Giuseppe Ogna | 1956, 1957 Michel Rousseau | 1958, 1959 Valentino Gasparella | 1960 Sante Gaiardoni | 1961, 1962 Sergio Bianchetto | 1963 Patrick Sercu | 1964 Pierre Trentin | 1965 Omar Pchakadse | 1966, 1967, 1969, 1970, 1971, 1973, 1975 Daniel Morelon | 1968 Luigi Borghetti | 1972 nicht ausgetragen | 1974, 1978 Anton Tkáč | 1976 nicht ausgetragen | 1977 Jürgen Geschke | 1979, 1983, 1985, 1987 Lutz Heßlich | 1980 nicht ausgetragen | 1981, 1982 Sergei Kopylow | 1984 nicht ausgetragen | 1986 Michael Hübner | 1988 nicht ausgetragen | 1989, 1990 Bill Huck | 1991 Jens Fiedler

(anschließend wurde die Trennung zwischen Amateuren und Profis aufgehoben. Weitere Resultate unter Weltmeister im Sprint)

Deutsche Meister im Sprint (Amateure)

1890, 1891 Alwin Vater | 1892 Jean Schaaf | 1893, 1894 August Lehr | 1895 Thomas Schlüter | 1896 Fritz Opel | 1897 August Stoffregen | 1898, 1899 Paul Albert | 1900, 1902 Albert Leopold | 1901 Willy Kritzmann | 1903 Walter Engelmann | 1904, 1913 Christel Rode | 1905 Otto Küpferling | 1906 Bruno Götze | 1907–1910 Karl Neumer | 1911 Otto Gosche | 1912 Max Hansen | 1914 Richard Gottschalk | 1917, 1919, 1920 Fritz Schrefeld | 1918 Arthur Hensch | 1921 Johannes Drohten | 1922 Walter Heidenreich | 1923–1925 Paul Oszmella | 1926, 1927 Mathias Engel | 1928 Hans Bernhardt | 1929 Fritz Fliegel | 1930 Robert Trauden | 1931, 1932 Hans Dasch | 1933–1936 Toni Merkens | 1937 Heinz Hasselberg | 1938 Jean Schorn | 1939 Gerhard Purann | 1940, 1947 Willi Schertle | 1941, 1942, 1944 Werner Bunzel | 1943 Georg Voggenreiter | 1948, 1949 Willy Trost | 1950–1954 Werner Potzernheim | 1955 Günther Ziegler | 1956 Heinz Lauff | 1957 Rudi Altig | 1958 Sigi Walther | 1959, 1960 Günter Kaslowski | 1961, 1962 Ehrenfried Rudolph | 1963–1965 Willi Fuggerer | 1968–1971 Jürgen Barth | 1972–1974, 1976 Dieter Berkmann | 1975 Rainer Klenner | 1977, 1979, 1983 Gerhard Scheller | 1978 Dieter Giebken | 1980–1982, 1984 Fredy Schmidtke | 1985, 1989 Hans-Jürgen Greil | 1986, 1988, 1990 Markus Nagel | 1987 Frank Weber | 1991 Jens Fiedler

Weitere Resultate unter Deutsche Meister im Sprint (Elite).

Britische Meister im Sprint (Amateure)

1871, 1873–1975 H. P. Whiting | 1872 E. B. Honeywell | 1876, 1878 Ion Keith-Falconer | 1877 Wadham Wyndham | 1879 Herbert Liddell Cortis | 1880 C. E. Liles | 1881 George Lacy Hillier | 1882 James Moore | 1883 H. W. Gaskell | 1884 Herbert A. Speechly | 1885 Sanders Sellers | 1886 Percy Furnivall | 1887 G. H. Illston | 1888 Synyer | 1889 August Lehr (D) / Fred Fletcher | 1890 Frederick John Osmond | 1891, 1892 Adams | 1892 Arthur Zimmermann (USA) | 1893 Sanger | 1896 Macferson | 1897 J. A. Metcalf | 1898 Thomas Summersgill | 1899 Paul Albert | 1900–1903 O. S. Ingram | 1904 Jimmy S. Benyon | 1905–1906 Ernest Payne | 1907 Anderson | 1908, 1911–1912 Victor Johnson | 1909 Kingsbury | 1910, 1913 William James Bailey | 1914 Ormston | 1919 Ryan | 1920, 1923 Albert White | 1921, 1922 George Owen | 1924 Fuller | 1925, 1927, 1931 John Sibbit | 1926 Albert Theaker | 1928 Wyld | 1929, 1930 Sydney Cozens | 1932–1934, 1938 Dennis Horn | 1935 Ernest Higgins | 1937 Cyril Horn | 1939, 1944–47 Reg Harris | 1948, 1849, 1951 Alan Bannister | 1952–1954 Cyril Peacock | 1955–1961 Lloyd Binch | 1962–1964 Karl Barton | 1965, 1969 Roger Whitfield | 1966 Frederick Booker | 1967–1968 Reg Barnett | 1970–1973, 1980 Ernest Chrutchlow | 1974 Malcolm Hill | 1975 Paul Medhurst | 1976 John Tudor | 1977, 1978 Trevor Gadd | 1979 Steve Cronshaw | 1980 Terrence Tinsley | 1981 Paul Swinnerton | 1982, 1983 Mark Barry | 1984–1987 Paul McHugh | 1988 Eddie Alexander | 1989–1994 Stewart Brydon | 1995 Steve Paulding

Die Meisterschaft wurde nicht in jedem Jahr, aber letztmalig 1995, ausgetragen. Hochradmeister bis 1892 kursiv

Normdaten (Person): GND: 1135212554 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 2129149844996502960007 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Albert, Paul
ALTERNATIVNAMEN Albert, Carl Paul (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Radrennfahrer
GEBURTSDATUM 16. Februar 1876
GEBURTSORT Biebrich
STERBEDATUM 15. Mai 1903
STERBEORT Nieder-Ingelheim